Titel

Es war einmal, tief in einem Tal, in dem die Berge wie Wächter in den Himmel ragten, ein kleines Dorf. In diesem Dorf lebte ein Mädchen namens Liora, das eine ungewöhnliche Gabe hatte: Sie konnte das Flüstern der Steine hören.

Wenn sie über den Dorfplatz ging und ihre Hand über die alten Pflastersteine legte, erzählten sie ihr Geschichten – von längst vergangenen Festen, von Kindern, die dort spielten, und von Träumen, die die Menschen beim Tanzen verloren hatten. Doch niemand im Dorf glaubte ihr.

Eines Tages, als ein heftiger Sturm die Berge erschütterte, stürzte ein Teil des Felsens am Eingang des Tales ein und versperrte den einzigen Weg hinaus. Die Dorfbewohner:innen gerieten in Angst, denn die Vorräte würden bald knapp.

Liora legte ihre Hand auf die kalten Steine des Bergsturzes und lauschte. Die Felsen flüsterten: „Im Herzen des Berges gibt es einen vergessenen Pfad, den nur das Lied des Mutes öffnen kann.“

Sie erzählte den Menschen davon, doch wieder schüttelten sie nur den Kopf. Also machte sich Liora allein auf den Weg. In der Dunkelheit der Höhle begann sie zu singen – ein Lied, das sie schon als kleines Kind von den Steinen gelernt hatte. Plötzlich begann die Wand vor ihr zu leuchten, und ein schmaler Durchgang öffnete sich.

Am Ende des geheimen Pfades stand sie auf einer Wiese, die im Mondlicht glitzerte. Dort wuchs ein uralter Baum mit goldenen Blättern. Als sie eines der Blätter berührte, verwandelte es sich in einen Schlüssel aus reinem Licht. Mit diesem Schlüssel kehrte sie zurück ins Dorf und hielt ihn gegen den Fels. Der Berg öffnete sich wie ein Tor – und der Weg ins Tal war wieder frei.

Von diesem Tag an hörten die Menschen Liora endlich zu. Und noch viele Jahre später erzählte man sich im Dorf: „Hör auf das Flüstern der Steine, denn sie kennen Wege, die wir nicht sehen.“